Artikeldatum: 15.08.2008, letzte Aktualisierung: 05.11.2009

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15.08.2008 - Gilde - \"Münster, wir haben ein Problem\" (SZ)

Von Jochen Börger OER. Früher war alles anders? Ja. Früher war alles besser? Na ja. Sie bewahren Tradition, die Mitglieder der Bürgerschützengilde Oer. Doch wenn am kommenden Wochenende ihr großes Fest über die Bühne geht, dann dürften sie in manchen Punkten vielleicht doch froh sein, dass manches nicht mehr so ist wie früher.

\“Was die Väter geliebt, das lieben wir auch, und treu wir bleiben dem alten Brauch.\” Dieser Leitspruch ziert alle drei Jahre die Ankündigungen der Oerer für ihr Fest.

So weit, so gut! Gestatten wir uns aber einmal einen kleinen Blick in die Geschichte, der natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben soll. Der aber aufzeigt, mit welchen Widrigkeiten \“die Väter\” im Vorfeld eines Festes zu kämpfen hatten. Welche nette Anekdoten sie aber auch erlebten.

Und nehmen wir uns der Hilfe von Jakobus Schmitz an, Pfarrer von 1760 bis 1796 in Oer. Bereits 1761 schrieb er am Vorabend des Patronatsfestes über eine sehr große Prozession durch Oer, Siepen und Alt-Oer.

Und da heißt es, \“dass die Schützerey oder die Junggesellenkompagnie\” bei der Prozession vorangehen solle. Fest steht also: Mitte des 18. Jahrhunderts gab es mit Sicherheit eine Schützengesellschaft in Oer. Doch der Ursprung geht noch weiter zurück.

Ein gutes Beispiel ist Pfarrer Blankenheim, Vorgänger von Schmitz. Der Mann hat nämlich die Rechnungen für das Bier festgehalten, das den Schützen für das Feuergeben bei den Segensstationen gespendet wurde. Weitere schriftliche Unterlagen sind nicht vorhanden, das älteste nachweisbare Fest fand 1851 statt, es folgte das von 1869. Danach kam die königslose Zeit im Dorf bis zur Wiedergründung der Gilde im Jahre 1926.

Als erste Gilde im damaligen Amtsbezirk Datteln dürfen die Oerer für sich in Anspruch nehmen, ein Fest nach dem Ersten Weltkrieg gefeiert zu haben. Munter, voller Freude. Wie heute auch: Aber bei allem verständlichen Blick auf Tradition: \“Neuzeit-Schützen\” haben es vergleichsweise viel leichter. Allein wenn es um das Thema \“Reibungslose Getränkeversorgung\” geht.

Rückblende auf 1926: Mal eben einen Bierlieferanten kontaktieren – heute geradezu eine Selbstverständlichkeit – das ging damals nicht. Wer trinken wollte, konnte sich nicht einfach locker einen genehmigen, sondern musste alles genehmigen lassen. Denn ohne die Regierung in Münster gab es keine Konzession für den Ausschank alkoholischer Getränke.

Nur waren die Behörden durchaus mit einer westfälischen Genauigkeit und Sturheit ausgestattet und ließen sich auch mal gerne verdammt viel Zeit. Es wurde Samstagmorgen – und von der Regierung war nichts zu hören. Es wurde Samstagmittag, das Fest begann – in Münster war maximal Geläut von Kirchenglocken zu hören, aber die Behörde schwieg weiter. Wilhelm Pieper und Wilhelm Oberhag, die beiden Festwirte in Oer, wurden inzwischen mächtig sauer, erzählt man sich noch heute, und mussten noch in \“schwierige Verhandlungen\” eintreten. Was auch immer das im Detail heißen mag, später gab es jedenfalls doch noch Bier. Wilhelm und Wilhelm sei Dank!

Aber, aber: Wer nun \“Prost\” in die Runde rief, der hatte seine Rechnung zwar mit dem Wirt gemacht, aber doch nicht so ganz mit der Behörde. Denn natürlich gab es aus Münster die nächsten Einschränkungen. Entweder am Sonntag oder am Montag durfte über die Polizeistunde (24 Uhr) hinaus bis 2 Uhr gefeiert werden. \“Feiern wir doch am Sonntag länger, am Montag wird niemand mehr so kleinlich sein\”, dachten sich die Oerer.

Denkste! Pünktlich um Mitternacht kam montags ein starkes Polizeiaufgebot. Räumte rücksichtslos das Zelt und rückte wieder ab. Vorbei war die Feier.

\“Was die Väter geliebt, das lieben wir auch…\” Mit Sicherheit. Aber heute mag man froh sein, wenn Tradition auch mal etwas lockerer gehandhabt wird.

Münster jedenfalls muss nichts mehr genehmigen…

Weitere Informationen zum Fest der Bürgerschützengilde Oer finden Sie auf vier Sonderheiten im hinteren Teil unserer heutigen Ausgabe.

15. August 2008 | Quelle: Stimberg Zeitung